Die Freien Wähler im Freistaat
Bayern –
brauchen wir sie – können sie
etwas bewegen –
was haben sie schon bewegt?
von Bernhard Pohl, Leitlinienreferent
im Landesvorstand
Die
Politik ist immer zu spät dran meine Damen und Herren. Den Beweis dafür haben
sie heute geliefert, unsere Bundes- und Landespolitiker, allen voran
Lokalmatador Edmund Stoiber bei seiner heutigen Büttenrede zur Lage der Nation.
Der Fasching ist doch eigentlich vorbei, sollte man meinen, nur in der Politik,
da wird er regelmäßig um einen Tag verlängert.
Ja,
unser Ministerpräsident. Es ist schon originell, wie kreativ er mit Bundes- und
Landesgesetzen umgeht, da könnte man als Anwalt ja bald neidisch werden. Ich
denke da an die bahnbrechende Idee, eine Grabstelle zu pfänden. Eine derartig
symbolträchtige Aktion ist noch nicht einmal einer Atheistenvereinigung
eingefallen. Nein, der höchste christsoziale Politiker dieser Republik ist
darauf gekommen. Man mag sich gar nicht ausmalen, wenn man diese Aktion zu Ende
denkt. Woran hat Stoiber
gedacht? An Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung? Wollte er die
sterblichen Überreste seines Ziehvaters dem Meistbietenden überlassen oder das
Grab unter staatliche Verwaltung stellen, als eine Art Wallfahrtsstätte mit
Eintrittsgeld. Herr Ministerpräsident, ich weiß ja, dass bei der CSU die
Steigerung der Herzlichkeit mit der Formel „Feind – Erzfeind –
Parteifreund“ ausgedrückt wird. Aber musste denn das wirklich sein? War es
wirklich notwendig, dass Franz Mageth den verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten
gegen seinen Nachfolger in Schutz nimmt? Ich glaube, viel schlimmer kann man mit
einem Ziehvater nicht umspringen, auch wenn es nicht der leibliche ist.
Aber
auch mit dem Landesrecht
nimmt er es nicht so genau. Kennen Sie das Gesetz über den Schutz der
Sonn- und Feiertage? Ich zitiere auszugsweise § 3 Abs. 1 und 2:
„Stille
Tage sind Aschermittwoch“. An den stillen Tagen sind öffentliche
Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen
entsprechend ernste Charakter gewahrt ist.“
Machen
Sie sich selbst ein Bild ob der Herr Ministerpräsident dieser von ihm selbst
geschaffenen gesetzlichen Grundlage heute Vormittag entsprochen hat.
Aber
nun zu uns, den Freien Wählern. Und dabei gleich zur ersten Frage: Braucht
Bayern die Freien Wähler?
Es
wird Sie nicht verwundern, wenn ich diese Frage mit
ja beantworte. Und das in einer Zeit, wo sich die Politik durch die drei
„Ks“ auszeichnet, Konzepte, Konferenzen, Kommissionen. Nur eines vermissen
wir schmerzlich: Die Umsetzung! Wo bleiben die mutigen Entscheidungen? Jeder
Reformansatz, der diskutiert wird, wird von Interessengruppen in und außerhalb
der Parteien zurechtgestutzt und lauthals oder stillschweigend später
verworfen. Kastrierte Minimallösungen, das ist es, was uns täglich geboten
wird. Das ist es aber auch, was uns nicht weiterbringt. Und genau in dieser Zeit
fordern wir eine Stärkung der bürgerlichen Alternative? Passt das denn überhaupt?
Eine weitere Zersplitterung der politischen Landschaft? Eine neue, bürgerliche
Kraft?
Die
Antwort gibt die Politik doch selbst. Sehen Sie ein klares Konzept, eine klare
Richtung in der Bundes- oder in der Landespolitik? Wir haben da wie dort klare
und eindeutige politische Verhältnisse. In Bayern mit einer 2/3 Mehrheit noch
mehr als im Bund. Aber auch da schafft es der Kanzler, wenn auch manchmal mit
einem sehr unorthodoxen Druck, seine Regierungsmehrheit auf Linie zu bringen.
Und trotzdem hat man das Gefühl, da rennen ein paar weiße Mäuse in einem Käfig
ziellos auf und ab, sie rennen durchaus schnell, manchmal meint man immer
schneller, aber wir erkennen das Ziel nicht. Wissen sie es selber?
Nein
meine Damen und Herren ich sage Ihnen große Volksparteien führen nicht zu
klaren Verhältnissen, sondern verhindern mutige Entscheidungen. Große
Volksparteien leben in ständiger Angst vor Machtverlust. Das ist es, was die
heutige politische Landschaft auszeichnet. Die Angst vor dem Machtverlust. Das
ständige ängstliche Starren auf Umfrageergebnisse. Und so werden heute schon Bürgermeisterwahlen
im hintersten Brandenburg zu Testwahlen für den Bundeskanzler.
Große
Volksparteien haben in der heutigen Zeit ein riesiges Problem: Wenn sie mutige
Politik machen müssen sie den Lobbyisten weh tun. Die Lobbyisten, die für ihr
Klientel in diesem Land ein Privileg nach dem anderen aufgebaut und erarbeitet
haben. Und wehe dem, der diese Privilegien einmal beschneiden möchte. Er
riskiert es, abgestraft zu werden.
Wer
50 und 60 % erreichen will, muss nicht nur gute Politik machen, er muss auch
versuchen, es möglichst vielen recht zu machen. Und das ist genau die Gefahr.
Im Sog dieser allseitigen Harmonie knabbern diejenigen als zu eigensüchtig am
großen Kuchen, die den Politikern vormachen, sie hätten es in der Hand, für
ein gutes Wahlergebnis zu sorgen. Und damit verschiebt sich die politische Macht
von den Gewählten auf die Männer und Frauen im Hintergrund, und politische
Entscheidungen werden nicht mehr nach der Sache, sondern nach dem Geschick
dieser Lobbyisten getroffen.
Das
ist die Stunde der Freien Wähler! Bayern braucht eine bürgerliche Alternative
für mehr Mut in der Politik. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Auch die
Landtagsabgeordneten der CSU brauchen die Freien Wähler, und zwar nicht nur in
den Kommunen, sondern auch im bayerischen Landtag. Finden Sie es gut, dass in
der CSU Politik nur von oben herab gemacht wird? Dass die Landtagsabgeordneten
der CSU zu Befehlsempfängern degradiert werden, die die Politik des allmächtigen
Ministerpräsidenten wie Wanderprediger in die bayerischen Regionen hinaustragen
müssen? Das kann es doch nicht sein meine Damen und Herren. Eines kann ich
Ihnen versprechen: Wären die Freien Wähler in der letzten Legislaturperiode im
bayerischen Landtag gewesen, hätte sich der bayerische Ministerpräsident die
Blockade des Dosenpfandes niemals erlaubt. Das Dosenpfand, ein Segen für die
mittelständische bayerische Brauwirtschaft. Aber der Segen kam von der falschen
Seite, vom Umweltminister Trittin. Ich gebe gerne zu, daß auch ich mir nie und
nimmer habe vorstellen können, dass ausgerechnet der Trittin den bayerischen
Brauern zu Hilfe kommt. Aber wenn ein Grüner schon mal einen lichten Augenblick
hat, dann sollte sich die CSU doch darüber freuen, anstatt wie der pavlowsche
Hund reflexartig zu reagieren und auch dieses gut gemeinte und richtige Gesetz
zu bekämpfen. Herr Stoiber, Sie haben die Quittung dafür bekommen. Während
Ihres Bundestagswahlkampfs ist der Herr Inselkammer, der Präsident der
bayerischen Brauer, mit der Landeschefin der Grünen durch die Festzelte
gelaufen. Und Ihre Abgeordneten? Die haben Ihrer Gesetzesinitiative mit der
geballten Faust in der Tasche zugestimmt, wohlwissend, dass sie sich dabei in
ihrem Stimmkreis erst einmal nicht mehr blicken lassen müssen bei den Brauern
und allen, die mit der Gastronomie zu tun haben. Und die Liste ließe sich
beliebig fortsetzen, wenn ich nur an die unwürdige Entlassung des
Justizministers Sauter denke zur Verdeckung eigener Unzulänglichkeit oder an
die auch in der CSU Fraktion nicht unumstrittene Befürwortung des Transrapids.
Aber
auch die Sparbeschlüsse der bayerischen Staatsregierung entsprechen ganz und
gar nicht dem, was unsere Abgeordneten mehrheitlich denken. Sie glauben doch
nicht, dass die Damen und Herren im Maximilianeum diese Sparbeschlüsse erfunden
haben? Vor einigen Jahren hätte ich noch gesagt, Politik findet nur noch in den
Ministerien, nicht mehr in den Parlamenten statt. Ich hätte verlangt, dass
wieder mehr Kompetenz, aber auch mehr Fleiß in den bayerischen Landtag einzieht
und die Abgeordneten nicht ständig auf Bierzelten und bei Musikfesten ihrer
Arbeit nachgehen, sondern an zukunftsweisenden Konzepten arbeiten. Heute muss
ich sagen, dass wir noch einen Schritt weiter sind, allerdings in die falsche
Richtung. Jetzt wird die Politik nicht mehr in den Ministerien gemacht, jetzt überlassen
wir das sündteuren Beratern und Kommissionen.
Alle
Macht geht vom Volke aus – und wo geht sie hin? Wer macht in Deutschland
Politik? Lobbyisten und Berater, und die Akteure in der Politik verkommen zu
Schauspielern, die nach dem Drehbuch arbeiten.
Und
wer sich nicht an das Drehbuch hält, verliert seine Rolle. Anders ausgedrückt:
Sollte ein CSU-Mandatsträger in der Fraktion einmal eine eigene Meinung haben
und diese auch vertreten, sollte er gar damit drohen, gegen die herrschende
Meinung abzustimmen, bekommt er vom Fraktionsvorsitzenden, bislang hieß er Glück,
sehr deutlich zu hören, dass es in seinem Stimmkreis auch noch andere politisch
begabte, aber weniger aufsässige Menschen gibt.
Eines
kann ich Ihnen versprechen: Sobald die Freien Wähler im bayerischen Landtag
sind, hat der Fraktionsvorsitzende dieses Droh- und Druckmittel verloren.
Menschen, denen das Wohl ihrer Mitmenschen mehr am Herzen liegt als
Parteiraison, Politiker, die selbständig denken und eigenständige Ideen
entwickeln, die von ihrer Sache überzeugt sind und auch für ihre Ideen kämpfen,
haben allemal eine Heimat bei den Freien Wählern. Und das, meine Damen und
Herren, ist auch der eigentliche Grund, warum die CSU uns als Konkurrent Nr. 1
auf der Landesebene ansieht.
Die
Freien Wähler sind keine Heilsbringer, sie machen nicht alles besser. Aber wir
sind ein belebendes Element in der Politik, weil wir für neue Ideen und gegen
Einheitsmeinungen stehen. Was in der Wirtschaft richtig ist, kann in der Politik
nicht falsch sein: Konkurrenz belebt das Geschäft, wer sich dem Wettbewerb
stellen muss, der arbeitet. Wer konkurrenzlos ist, wird bequem.
Sie
fragen nun durchaus zu Recht, wie will das eine Gruppierung leisten, die derzeit
nur über 4 % der Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger in Bayern auf
Landesebene verfügt. Können die Freien Wähler überhaupt diesen Ansprüchen
gerecht werden? Und ich sage wiederum ein klares „ja“. Vor wenigen Wochen
sagte mir bei einem Neujahrsempfang in Oberbayern ein CSU-Kommunalpolitiker:
„Mein Gott, es ist wirklich schade, dass die Freien Wähler nicht in den
Landtag gekommen sind. Wären die Freien Wähler im Landtag, hätte sich der
Stoiber das, was er mit seinem Sparkonzept anrichtet, nicht getraut.“
Ja,
wir werden gebraucht in Bayern, in der Kommunal- und in der Landespolitik.
Unsere Landräte wie Reinhard Glauber hier in Forchheim, unsere Bürgermeister
und kommunalen Mandatsträger leisten täglich ihre Arbeit für Sie vor Ort.
Die
Frage „brauchen wir die Freien Wähler?“ haben letztlich Sie beantwortet,
mit Ihrer Stimmabgabe. Und auch Ihre Antwort lautet eindeutig „ja“. Nur in
der Landespolitik haben Sie uns noch einmal auf die Warteschleife geschoben.
Was
können wir bewegen? Was haben wir schon bewegt? Das ist die Frage nach
Leistungsnachweis und Potential.
Die
Freien Wähler haben vor einem Jahr Unterschriften gesammelt, haben für die
Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Bayerischen Verfassung gesorgt.
Unsere 30.000 Mitglieder hatten trotz eisiger Kälte in wenigen Wochen die
50.000 Unterschriften zusammen, die für die Einleitung des Volksentscheides benötigt
wurden. Aber den Volksentscheid brauchten wir dann bekanntlich nicht mehr
durchzuführen, denn sämtliche im Landtag vertretenen Parteien haben unsere
Forderung aufgegriffen und die notwendigen Schritte für eine Verfassungsänderung
eingeleitet.
Wir
haben das Konnexitätsprinzip nicht erfunden. Wir waren nicht die ersten, die
gesagt haben, „wer bestellt, muss auch bezahlen“. Roman Herzog, unser
Altbundespräsident aus Landshut, Josef Deimer, noch amtierender Oberbürgermeister,
ebenfalls aus Landshut, und andere haben hier den Vorreiter gespielt. Aber die
Freien Wähler haben nicht nur gefordert, sondern gehandelt, und so kam es, dass
der Grundsatz „wer bestellt, muss auch bezahlen“ nicht nur im Wirtshaus,
sondern auch in der Politik zwischen dem Freistaat und den Kommunen gilt.
Das
Konnexitätsprinzip – jetzt haben wir es in der Verfassung. Aber wir müssen
auch darauf achten, dass es mit Leben erfüllt wird. In der Bayerischen
Verfassung steht vieles, bis vor kurzem sogar die Todesstrafe. Wir müssen nun
auch darauf achten, dass es umgesetzt und in der Praxis beachtet wird. Nein,
meine Damen und Herren, unser Job ist noch nicht zu Ende. Gerade bei der
orgiastischen Sparwelle, die uns Stoiber verordnet, müssen wir besonders sorgfältig
darauf achten, dass nicht wie so oft direkt oder indirekt neue Belastungen ohne
finanziellen Ausgleich auf unsere Kommunen zukommen. Ich habe daher gemeinsam
mit unserem Landesvorsitzenden Johann Deuerlein einen Musterantrag für alle
Gemeinde-, Kreis- und Stadträte formuliert, der Ihnen vor einigen Wochen
zugegangen ist. Dieser Antrag fordert die Bürgermeister und Landräte auf
darzustellen, wie sich das Spardiktat der Staatsregierung auf die Finanzen in
der Gemeinde, in der Stadt oder dem Landkreis konkret auswirkt.
Ob
wir damit etwas bewegen, weiß ich nicht. Als ich kürzlich als Präsident des
ESV Kaufbeuren gemeinsam mit dem 2. Bürgermeister der Stadt Kaufbeuren,
ebenfalls Vereinsvorsitzender und erster Nachrücker für die CSU in den
Landtag, ein Schreiben an den Ministerpräsidenten gerichtet habe, in dem ich
die Rücknahme der geplanten Streichung der Übungsleiterzuschüsse gefordert
habe, habe ich noch nicht einmal eine Antwort erhalten. Trotzdem: Wir dürfen
nicht immer darüber klagen, daß die Menschen von den Nöten der Kommunen zu
wenig mitbekommen, wir müssen die Probleme auch öffentlich ansprechen,
transparent machen. Wir sind zu ruhig, zu gehorsam, meine Damen und Herren.
Wir
haben in meiner Heimatstadt Kaufbeuren wegen der anstehenden Erhöhung der
Bezirksumlage um 3 Punkte und anderen negativen Einnahmeentwicklungen eine Straßenreinigungsgebühr
eingeführt und die Gebühren in den Parkhäusern erhöht,
auch mit den Stimmen der CSU. Dadurch ist es uns gelungen, einen Haushalt
ohne Neuverschuldung und einem geringen Schuldenabbau aufzustellen. Gegen die
Parkgebühren regt sich Widerstand. Was macht die CSU? Sie will die Parkgebühren
nach wenigen Monaten wieder senken und beschimpft uns, die Freien Wähler, und
den FW-Oberbürgermeister, wir seien wirtschaftsfeindlich und gegen den
Einzelhandel.
Wenn
wir nicht aufpassen, wird die CSU noch politisch Profit aus einer Maßnahme
schlagen, die nur und ausschließlich der skandalösen Politik der CSU-Regierung
gegenüber den Kommunen zu verdanken ist. Eine Schmierenkomödie allererster
Ordnung! Daher mein dringender Appell an uns Freie Wähler: Wir müssen uns
besser verkaufen, zu einem guten Inhalt gehört auch eine gute Verpackung!
Wir
kämpfen seit vielen Jahren dafür, dass die Kommunen mehr Geld und mehr
Kompetenzen bekommen. Wir setzen uns dafür ein, dass wir wieder mehr vor Ort
entscheiden können. Das heißt: Mehr Befugnisse – weniger Gesetze – mehr
Geld. Wir kämpfen engagiert gegen den Zentralismus in Brüssel, Berlin und München.
Was in St. Nazaire richtig ist, kann in Bamberg kreuzfalsch sein, was für
Sonneberg ein Segen ist, ist für Selb vielleicht ein Fluch, und was für Würzburg
die Rettung ist für Gößweinstein vielleicht das Verderben. Wir sind gegen
Zentralismus und Gleichmacherei, wir kämpfen für individuelle Lösungen. Denn
nur das wird den Menschen wirklich gerecht, das verstehen sie, damit können sie
sich identifizieren. Mehr Macht für Kreise, Städte und Gemeinden – ein
Rezept gegen Politikverdrossenheit, gegen theoretische Schreibtischlösungen, für
sinnvollen Geldeinsatz und ein echtes Miteinander, einen echten Bürgersinn zur
Verwirklichung von Zielen für die örtliche Gemeinschaft.
Das
verstehen wir unter Heimat. Einen Begriff, den die SPD nicht kennt und die CSU
sehr einseitig auf München und Oberbayern zuschneidet. Nichts gegen das
Marketing unserer Staatsregierung, das ist wirklich Spitze. Alle Achtung, wie
sie die Marke „Bayern“ verkaufen. Da können sich in Deutschland und in
Europa viele eine Scheibe abschneiden. Nein, ich meine die Politik, die für
unsere bayerische Heimat gemacht wird. Und die sieht eine klare Rangliste vor: München
ist Champions-League, Oberbayern Bundesliga und der Rest des Freistaats ist
Bayernliga. So werden die Ministerposten und die Steuergelder verteilt. Das hat
Konsequenzen: Es gibt nicht nur in Deutschland ein Wohlstandsgefälle zwischen
West und Ost, nein, auch in Bayern existieren mehr als in anderen Ländern
deutliche Unterschiede in den Regionen.
Lassen
Sie mich aber nun einmal ein Kompliment loswerden. Oberfranken gehört ja sicher
nicht zu Stoibers Lieblingsgegenden. Aber was die Bürgerinnen und Bürger mit
ihrem Landrat Glauber, den Bürgermeistern und sonstigen Mandatsträgern hier im
Landkreis geleistet haben, das kann sich mehr als sehen lassen. Im Bereich der
Medizintechnik führt an Forchheim etwa kein Weg vorbei. Wirtschaft
ansiedeln ist das eine, sie im globalen Wettbewerb zu halten und auszubauen das
andere. Und damit komme ich zu einem anderen, wesentlichen Punkt der Politik der
Freien Wähler, der hier beispielhaft umgesetzt wird.
Heimat
bewahren – eine Aufgabe, der wir uns stellen. Das schließt auch die
Wirtschaftspolitik mit ein. Welche Antworten haben wir auf die Globalisierung,
auf die Osterweiterung? Muss Politik wirklich nur tatenlos zusehen, ist es
wirklich gottgegeben, dass ein Familienvater, der sich hier eine Existenz
aufgebaut hat, der über 20 Jahre hier lebt und arbeitet, plötzlich vor die
Situation gestellt wird, mit seiner Firma binnen sechs Monaten ins Ausland zu
gehen oder seine Stelle zu verlieren? Flexibilität
ist wichtig im Wirtschaftsleben, ohne Frage. Aber auch gewachsene soziale
Bindungen stellen einen Wert dar. Familienpolitik, meine Damen und Herren, erschöpft
sich nicht im Geldausgeben des Staates, nein, wir müssen auch dafür sorgen, dass
die Menschen, die Familien eine Heimat haben. Wer ständig auf gepackten Koffern
sitzt, wird sich schwer tun, Bindungen einzugehen, örtlich wie familiär. Und
dazu brauchen wir nicht nur die Arbeit fähiger Kommunalpolitiker vor Ort, wie
hier im Landkreis Forchheim, nein, da müssen Bundes- und Landespolitik
mitspielen.
Wir
stehen für die Stärkung kleiner Einheiten vor Ort. Mittelständische
Wirtschaft, Vereine und Organisationen mit viel Eigeninitiative und Idealismus,
die wollen wir fördern, um unsere Heimatregionen lebenswert zu erhalten. Da ist
es ein besonderer Schlag, dass das Spardiktat aus München ausgerechnet bei den
Sportvereinen und im Bereich der Jugendarbeit zuschlägt. Das, meine Damen und
Herren, wäre mit uns nicht zu machen gewesen, wir hätten im Landtag dagegen
massiv Front gemacht.
Ich
habe vorhin die Geldverschwendung durch die ausufernden Beraterverträge
angesprochen. Es ist tatsächlich so: Früher hieß es, Du musst zur CSU gehen,
wenn Du politisch etwas werden willst, oder im Ruhrgebiet zur SPD. Heute müsste
man einem Nachwuchspolitiker anraten, er soll sich bei Roland Berger oder Mc
Kinsey bewerben. Da lobe ich mir Wolfgang Schäuble: Hätte er den
Einigungsvertrag an ein Anwaltskonsortium vergeben, wäre nach der Gebührenordnung
ein Betrag in Milliardenhöhe zu zahlen gewesen. Auch Norbert Blüm hat die
Bundesanstalt für Arbeit 16 Jahre lang ohne Beratermillionen arbeiten lassen.
Warum das wohl funktioniert hat?
Wir
haben bewiesen, dass wir auch ohne Berater etwas auf die Beine stellen können.
Erinnern Sie sich an die never ending story Gemeindefinanzreform? Der
Bundesminister der Finanzen hat eine Kommission eingesetzt, die 13 Monate lang
gearbeitet hat. Und das Ergebnis? Nichts! Nichts haben sie zustandegebracht, sie
konnten sich noch nicht einmal auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen. Die
Freien Wähler haben unter der Federführung ihres Landesvorsitzenden Johann
Deuerlein und meiner Person im Rahmen des Kompetenzteams keine 13 Wochen
gebraucht, ehe wir das Zwei-Säulen- Modell aus der Taufe gehoben haben. Leider
hat es in den Medien zu wenig Beachtung gefunden, da uns im Landtagswahlkampf
gesagt wurde, dass im Landtagswahlkampf nur die im Landtag und Bundestag
vertretenen Parteien zu Wort kommen können. Schade drum! Die politischen
Parteien haben sich nämlich in der Folgezeit an unserem Zwei-Säulen-Modell kräftig
bedient, und zwar ohne Nennung der Urheberschaft natürlich. Wir haben und
hatten kein Problem damit zu sagen, dass wichtige Teile unseres Modells dem
Gedankengut der kommunalen Spitzenverbände entstammen.
Aber
hätten wir es doch nur umgesetzt, unser Modell! Fakt ist aber, dass sich die
Roten und die Schwarzen eben nicht auf ein vernünftiges Modell einigen konnten,
und so blieb es bei einem Minimalkonsens: Die ohnehin ungerechte Erhöhung der
Gewerbesteuerumlage wird zurückgenommen. Ein Tropfen auf den heißen Stein!
Die
Freien Wähler haben in dieser Frage aber Politikfähigkeit bewiesen. Wir haben
einen eigenen Vorschlag erarbeitet und vertreten. In dieser Frage konnten wir
noch nichts bewegen. Da müssen wir noch größer und stärker werden. In der
Politik ist es aber wie im wirklichen Leben: Nicht der schnelle Erfolg zählt,
manchmal, oder meistens brauchen Veränderungen Zeit. Und vielfach kommen Veränderungen
auch nicht aufgrund aktueller parlamentarischer Mehrheiten zustande, vielfach
sind es lang andauernde Entwicklungsprozesse, die eine Vielzahl von
Entscheidungen in eine bestimmte Richtung beeinflussen: Auch wenn wir bei der
Gewerbesteuerreform eine Niederlage erlitten haben, kämpfen wir dennoch hartnäckig
und eifrig um das, worum es uns eigentlich geht: Um eine bessere
Finanzausstattung, um mehr Kompetenzen für Kreise, Städte und Gemeinden. Ob
wir das auf diesem oder einem anderen Weg erreichen, ist letztlich zweitrangig.
Hauptsache, wir schaffen es überhaupt.
In
manch anderen Bereichen hatten wir jetzt schon den gewünschten Erfolg. Ich
spreche hier von der Schulzeitverkürzung bei den Gymnasien auf 8 Jahre und von
unserer ständigen Forderung nach Entbürokratisierung.
Ich
bedauere es allerdings sehr, dass die Schulzeitverkürzung an Gymnasien so
mutlos umgesetzt wird. So richtig diese Verkürzung auch ist – sie ist zu kurz
gedacht. Sie muss zwingend einhergehen mit einer Beschränkung des Lehrstoffs,
mit einer Entrümpelung der Lehrpläne. Viel wichtiger als Detailwissen sind
Grundlagenkenntnisse. Eine geänderte Aufgabenteilung zwischen Gymnasium und
Universität würde das Detailwissen, die speziellen Fertigkeiten und Fähigkeiten
in stärkerem Maße auf die Hochschule verlagern. Und ganz nebenbei, meine Damen
und Herren, können Sie mir erklären, warum ein 20-jähriger Student 5 Monate
Semesterferien hat? Ich weiß, das ganze nennt sich vorlesungsfreie Zeit. Und
ich weiß auch, dass man in den Semesterferien hin und wieder ein Buch in die
Hand nimmt. Aber ich kann Ihnen auch versichern, dass mir kein Fall bekannt ist,
wo ein Student in den Semesterferien mit Erschöpfungszuständen ins Krankenhaus
eingeliefert wurde.
Und
was ist mit der Entbürokratisierung? Wir haben sie schon 1998 mit Nachdruck
gefordert. Leider ohne Erfolg! Jetzt unternimmt der Ministerpräsident einige
zaghafte Ansätze – aber ich weiß nicht, ob die Abschaffung des Bayerischen
Obersten Landesgerichts wirklich der große Wurf ist. Warum greift der
Ministerpräsident unsere Forderungen nicht auf, die Bezirke und die Regierungen
zusammenzulegen? Das würde tatsächlich eine Einsparung mit sich bringen, und
da geht es nicht nur um 1 Million EURO, da geht es um viel mehr.
Und
schließlich – ein letzter Punkt – die Glaubwürdigkeit. Die Freien Wähler
sind keine Schar säkularisierter Engel – stellen Sie sich doch nur mal unsere
beiden Landesvorsitzenden Grein und Deuerlein mit Harfe und Posaune auf einer
Wolke vor -, nein! Die Freien Wähler sind genauso Menschen mit Fehlern und Schwächen
wie andere auch. Ich will auch nicht auf Amigo-Affären und Vetternwirtschaft,
auf Filz und Parteibuchkarrieren herumreiten. Es geht mir um etwas anderes. Es
geht mir um ein Grundmaß an Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit in der Politik.
Denken Sie nur an die
Bundestagswahl
2002. Was hat da die Bundesregierung, was hat da Gerhard Schröder gelogen,
verheimlicht und vertuscht. Zu Recht hat die Union einen Wahllügenuntersuchungsausschuss
einberufen. Zu Recht hat man der Rot-Grünen Regierung vorgeworfen, sie hat sich
mit unlauteren Machenschaften und hauchdünnem Vorsprung über die Ziellinie
gerettet.
Aber
es kann einfach nicht angehen, dass kurz darauf der bayerische Ministerpräsident
und seine CSU ganz genauso verfährt. Und das ohne jede Not, denn die
Regierungsmehrheit in Bayern, die war weiß Gott niemals in Gefahr. Was haben
sie uns erzählt vor den Wahlen? Bayern ist Spitze! Bayern, das Musterland, in
dem Milch und Honig fließen. Was haben sie uns erzählt, dass die
Bildungspolitik das zentrale Politikfeld der Zukunft sein wird. Schön! Und wie
sieht es nach den Wahlen aus. Die bayerische Staatsregierung legt ein
Sparkonzept auf, von dem im Wahlkampf niemals die Rede war, ein Sparkonzept, das
die bisherige Politik im Freistaat derart umkrempelt, als hätten wir im
Freistaat den ersten Regierungswechsel nach dem Krieg gehabt. Ist es das, was
man den Bürgern auch vor den Wahlen gesagt hat? Und wie können die Aussagen über die Bildungspolitik im
Wahlkampf von uns ernst genommen werden, wenn nach der Wahl im Bildungsbereich
zweistellige Kürzungen verordnet werden. Es ist beileibe nicht alles falsch was
in diesem Sparpaket steht, meine Damen und Herren. Und ich halte es genauso
unredlich, nun aus populistischen Gründen zu allem, was hier auf den Tisch
gelegt wird, „nein“ zu sagen. Aber wer Glaubwürdigkeit in der Politik für
sich einfordert, der muss auch vor den Wahlen, zumindest ansatzweise, sagen, was
er vor hat. Glaubwürdig sein heißt nicht nur ständig zu sagen, was man tut,
sondern auch das zu tun, was man vorher gesagt hat. In diesem Sinne meine Damen
und Herren wollen wir Freie Wähler weiterhin Politik machen, unsere Stärken
weiter ausbauen und an unserer Schwäche arbeiten: Wir tun zwar, was wir sagen,
aber wir sagen zu selten, vor allem in den Medien, was wir tun.
Meine
Damen und Herren, ich danke Ihnen.